1490 - 1547
In Übersetzungen von
Bertha Arndts
Die geistlichen Sonette
Erster Teil
I.
Vom blinden Weltsinn lange
eingenommen,
Nährt’ ich am Busen gleich der
Schlange
Den eitlen Ruhm; mit Thränen
dann und bange
Zum Herrn gewandt, sah ich die
Hülfe kommen.
Als Feder nun die heilgen
Nägel frommen,
Getaucht in Jesu Blut, daß
rein empfange
Der heil’ge Leib die Schrift,
entströmt dem Drange
Des Herzens, dem Sein Leiden
überkommen.
Hier von Parnass, von Delos zu
geschweigen,
Weil andres Wasser rinnt,
winkt andre Höhe,
Die kann kein Fuß aus eigner
Macht ersteigen.
Zur Sonne d’rum, die alten
Sphären zündet,
Daß sie auch mir den Born erschließt,
ich flehe,
Und heißer Durst die gleiche
Nahrung findet.
II.
Nicht Musen sind’s, die neun,
in stolzem Reigen;
Neun Engelchör’ ich schau’, im
Strahlenkranze
Des Centrums hoch; es schmilzt
vor seinem Glanze
Der Weisheit Siegel Allen, die
sich beugen.
Entrückt zu seliger Schaar,
ihr ganz zu eigen,
Hebt sich empor der Geist, wo
ihm das Ganze
Des Erdenlaufs zerrinnt vor
jenem Glanze,
Der treibt Natur, sich selbst
zu übersteigen.
Und ob unwürd’ge Pilg’rin fern
ich bliebe
Dem Vaterland: vielleicht im
Erdenraum
Verklären könnte sie der Hauch
der Liebe;
Wohl wirkt so heilig Feu’r,
daß ihr die Ehre
Der Welt verächtlich wird, wie
wenn ein Baum
Der eig’nen Wurzel nun
entfremdet wäre.
III.
Nun ist der Herr, dess’
Weisheit hat verbunden
Zwiefältige Natur in einem
Wesen,
Mein Sonnengott, ich soll am
Born genesen
Des wahren Helicon, von allen
Wunden!
Hab’ and’re Leyer, Musen da
gefunden,
Wie glühnder Glaub’ dem Geiste
sie enthüllet;
Aus ew’gem Hauch ihm and’rer
Vorwurf quillet,
Der reift und läutert ihn nach
kurzen Stunden.
Mit Lorbeer je zu schmücken
meine Schläfe,
Nicht wähn’ ich es, noch mit
dem Wind zu fliegen,
Daß fiel’ ich tiefer nur wenn
Tod mich träfe.
Zu leben gut, in andrem Chor
zu siegen,
Und andre Kron’ ich hoffe
einst zu erben,
Weiss kühn ich nur der
falschen Welt zu sterben.
IV.
Vielleicht mein Streben
scheint vermessen,
Zu sprechen so von
überird’schen Dingen,
Weil, jenseits uns’rer Sphäre,
sie durchdringen
Kein sterblich Auge kann,
nicht mag sie messen:
Mich dünkt wohl Demuth haben
sie vergessen,
Die nirgend geizt mit
irdischem Gelingen,
Nie müht sich Ruhm und Ehre
einzubringen,
Nennt eitle Lust, was sie an
ihr besessen.
Der Glaube prägt der Seele
heil’gem Drange
Die höchsten Pflichten ein,
daß eingegraben
Sie hundertfältig sind in
Herzens Mitte.
Möcht’ bitten ihn, den Geber
aller Gaben,
Dass Seine Kraft der Zunge
Band durchschnitte,
Zur Ehre Sein sie öffne sich
dem Sange.
V.
Wohl mit dem Kreuz ich mutig
folgen wollte
Dem Herrn auf seinem steilen,
hehren Pfade;
Gewahrt’ zum Theil ich nur des
Lichtes Gnade,
Das mehr denn Petrus Sinne
öffnen sollte!
Und kann ich solchen Lohn noch
nicht gewinnen,
Ist’s nicht, weil minder
herrlich er sich zeigte:
Nur weil der Blick zur Höhe
noch nicht reichte,
Wo, was der Welt, muß bleichen
und zerrinnen.
Käm’ mit entblößtem Herzen,
einem reinen,
Ich arm bekennend mich, zum
Tisch des Herren,
Wo sich das Gotteslamm in
milder Weise
Freigebig selber reicht zur
Seelenspeise:
Gesättigt dann, um nie mehr zu
begehren,
Vielleicht möcht’ einst dem
Freunde ich mich einen.
VI.
Wenn nicht mit freiem Urtheil,
scharfer Feile,
An meinen rohen Versen, den
unreifen,
Mit Forscher-Blick ich suche
mehr zu schleifen,
Zu säubern sie, zu schmücken
sie mit Weile:
Ist’s, weil ich kümmre mich
nicht Zeil’ auf Zeile,
Ob Tadel oder Lob, wie’s einst
mag reifen,
Wenn ich, sie schön’rem Dasein
abzustreifen,
Die Hülle ließ, mein Dichten
dann ereile!
Doch göttlich Feu’r, das
meinen Geist erreget
(Ihm sei’s gedankt!), nach
aussen muß es dringen;
Auch gegen meinen Willen
sprüht es Funken!
Und sind erwärmend sie
hinabgesunken
Zu edlem Herzen je: mich Dank
beweget
Viel tausendfach; mocht’ ich
mit Irrthum ringen.
VII.
Sieht hungrig junge Brut die
Mutter schweben
Um’s warme Nest, hört rauschen
sie die Schwingen,
Da die sie liebt will liebe
Nahrung bringen,
Die Vöglein froh des Dankes
Zeichen geben:
Verlangend sie die nackten
Flügel heben
Und suchen lechzend sich zu
überspringen,
Schon mit Gewalt das Zünglein
möchte singen,
Im Eifer mit der Mutter Flug
zu streben.
So ich fühl’ warm ich mir zum
Herzen dringen
Göttlichen Sonnenstrahlen süße
Speise,
Mehr Licht mir spendend als an
andern Tagen:
Dann rührt die Liebe meiner
Feder Schwingen,
Daß ohn’ Bewußtsein selbst der
Art und Weise
Ich Gottes Lob nur singen kann
und sagen.
VIII.
Quillt in der Brust mir jenes
Licht voll Leben,
Das treu sie macht, und fest
und klar im Hoffen;
Löst Himmelsgnad’ vom kalten
Eis, vom schroffen,
Das Herz, so starr mir oft von
ihm umgeben:
Dann fühl’ ich bei dem
überird’schen Weben
Der Sünde dunkeln Mantel mir
entfallen,
In Liebe und in Unschuld mich
umwallen
Das reine Kleid, das Gott mir
erst gegeben.
Und berg’ ich auch, und such’
ich zu verschließen
Mit sicherm Schlüssel mir den
Strahl von oben:
Gar fein und flüchtig flieht
er vor Gedanken
Unwürdig niedrer Art, und
einsam fließen
Die Thränen trüb, die bitten
und geloben:
O kehre schnell, brich mir die
düstern Schranken!
IX.
Umsonst zu Dir ich meine
Flügel breite,
Bevor Dein Hauch, mein Licht! nicht
warm mir wehet
An’s Herz: den Raum Du
öffnest, daß erstehet
Aus altem Übel mir ein neues
„Heute!“
Mag ird’sches Werk Unendliches
erreichen:
Dein Werk nur ist’s, o Herr!
Du gibst ihm Weihe
Im Augenblick; den eig’nen
Flug ich scheue,
Da der Gedanke fällt, will
hoch er steigen.
Heiß sehn’ ich mich nach
unsichtbarem Lichte,
Nach jener Flamme, daß sie
mich durchdringe,
Die still das Eis verzehrt in
tiefstem Grunde:
Daß von der Formenlast ich nun
gesunde,
Daß höh’re Lieb’ den
Erdenstoff vernichtet,
mit andrer Feder Flug mir
rühr’ die Schwinge!
X.
Zeit ist’s fürwahr! daß mit
geschürztem Kleide,
Mit offnem Ohre ich und Aug’,
im Scheine
Der Lampe mich dem Bräut’gam
zeig als Seine
Willkommne Braut, frisch,
rüstig und in Freude.
Und züchtig still zu öffnen
ihm die Pforte,
Da pocht kein Wunsch mehr an
des Herzens Schreine,
Als Furcht Ihm zu mißfall’n
und Lieb alleine,
Die stündlich wacht nach
Seinem Wink und Worte.
Daß so nicht bloß ich auf die
Gaben blicke,
Der weisen Lehre horchend,
voll der Wahrheit,
Die mir geboten Er zu ew’gem
Glücke:
Doch daß die heil’ge Hand
nicht wie mit Blitzen
Einst trifft die Blinde mich,
die trotz der Klarheit
Nicht fand ihr Licht, um’ss
ewig zu besitzen.
XI.
Die Elemente all’ in mächt’gem
Walten,
Der Urkraft Zeugen, die das
Werde sprach,
Sie sind, die jed’ Gebilde
rief zu Tag,
Wägt in der Hand all Leben und
Gestalten;
Beweis sich soll den Menschen
so entfalten:
Im Herzen rufen göttlich Feuer
wach
Demüthige Lieb’ nur kann, die
duldet’ Schmach
Am Kreuz für uns, wo ihr das Herz
durchspalten.
Ein hoher Geist, ihr gibt er
sich gefangen,
Von ihr läßt sich der stolze
Wille binden,
Daß jeder Fessel ledig nur die
Seele,
Daß sie von Täuschung endlich
los sich schäle,
Um, in der Hoffnung frei,
dereinst zu finden
Den vollen Tag, an dem ihr
Blick gehangen.
XII.
Stets zu der Wahrheit Quell
die Alten wandten
Des Geistes hohen Flug in
fernen Zeiten:
Doch wir, an allgewalt’gen
Zeichen gleiten
Der Güte Gottes hin gleich
Unbekannten.
Mag denn Natur den Blick, den
abgewandten,
Erheben nicht, doch selber nur
sich deuten
Und sich besehn in ihren
Eitelkeiten:
Umstrickt wohl fühlt sie sich
von argen Banden.
Schaut, wie ihr wartet stets
der Herr und richtet
Auf unser Straucheln fest und
unser Irren
Den Blick herab vom Felsen
seiner Güte.
Daß schwach Natur nur halb ihr
Werk verrichtet,
Wohl Er gewahr’s, es soll uns
nicht verwirren,
Er sorgt, daß Lieb’ vor
schwerem Fall behüte.
XIII.
Der Seele Heil! der schaal,
der abgefallen
Die Lust der Welt, mit ihren
flücht’gen Stunden!
Unselig die, von falschem Reiz
gebunden,
Läßt höhern Zweck in leichtem
Rausch verhallen!
Einst Allen wird der Mantel
uns entfallen,
Der Wahrheit birgt, wenn wir
zum Vater gehen,
Wenn finster oder hell den Tag
wir sehen,
Der ewig wird mit der Posaune
schallen;
Dann Viele wohl verlor’ne Zeit
beweinen,
Vertauscht um kurze,
trügerische Freuden,
Zu eig’nem ew’gem Unheil nur
verwendet!
Will Böses der Natur stets
reizend scheinen,
Und falscher Reiz ihr Gutes
bald entleiden,
Gerechte Furcht zu Gott sich
endlich wendet.
XIV.
Das Aug’ des Schöpfers sah,
das ewig klare,
Nichts, was der Menschenseele
gleich auf Erden:
Sie sollt’ (dank Ihm) sein
reines Abbild werden,
Ihr Ziel der Himmel sein, das
einzig wahre.
Er wollt’ als Braut sie einen
sich durch Glauben;
Und daß sich Lieb’ in Hoffnung
auch erwahre,
Schmückt er mit ihren Flügeln
sie, daß fahre
Sie auf zu ew’gen Höh’n,
leicht wie die Tauben.
Geformt nach Ihm, in Seinen
Geist getaucht,
Er sie betrachtend
Liebesfunken haucht,
Die Zahllos sie umkreisen weit
im Ringe –
Damit im Abglanz höchstes Gut
sie ehrt:
Den Schöpfer, Ihn, Urheber
aller Dinge –
Von Welt und Gold wie von sich
selbst gekehrt.
XV.
Der Erde Kampf nicht fürchtet,
ihren Jammer,
Wer mit dem Himmel Frieden hat
geschlossen,
Wie dem nicht schadet Frost,
der eingeschlossen
In warme Hülle ist, in stiller
Kammer.
Und drücken den nicht mag die
Erdenbinde,
Dess geistig Aug’ dem Himmel
sich erschlossen,
Der friedvoll bleibt bei
Schmach und unverdrossen,
Der betet mehr, je größer Wahn
und Sünde.
Vergeblich trifft der Pfeil
des Thurmes Stärke,
Wenn eingesenkt er ist
lebend’gem Steine,
Der unbezwingbar macht der
Menschen Werke;
Und nie die schlaue Hand bei
tück’schem Scheine
Den Vogel fängt in
hinterlist’gen Schlingen,
Der muthig trägt zum Himmel
seine Schwingen.
XVI.
Der Pflug der Demuth sollt’ es
tief durchspalten
Und weite Furchen ziehn in
meinem Herzen,
Um Erdennoth und Trübsinn
auszumerzen,
Dass die nicht drückt, der
nicht kann niederhalten;
Auf daß sich schön’res
Erdreich mög’ entfalten,
Des Himmels frischer Thau es
kann durchfeuchten,
Und heil’ger Liebe Frucht am
Weinstock leuchten
Nicht leeres Laub nur mög’ und
Mißgestalten;
Und daß kein Schattendach ihn
früh bedecket,
Er nicht vergeblich zwischen
Blättern wartet,
Bis sich des Himmels Strahl zu
ihm erstrecket.
Doch weil mein Denken stolz
nur ist geartet!
Den bitt’ ich, der demüthig
war alleine,
Daß selbst Er sich dem spröden
Herzen eine..
XVII.
Von Freud’ zu Freud’ durch
liebliches Gedränge
Anmuth’ger Bilder führt mich,
und Gedanken
Die ew’ge Lieb’ aus kalten
Winters Schranken
In lichten Frühling, seiner
Blüthen Menge.
Mag sein, daß erst in weiches
Wachs verwandelt
Der Herr dies Herz will sehn,
ihm einzuprägen
Sein heilig Siegel, jenen
Glaubens-Segen,
Der tief sein Leben faßt, und in
ihm handelt.
Den steilen Kreuzweg will er
mir ersparen,
Läßt süßes Joch und leichte
Last mich führen
Dem Hafen zui auf minder
schweren Wegen;
Vielleicht wikll er als
Meister, treu, erfahren,
Als Vater mir in kurzen
Frieden legen
Die sich’re Kraft, noch langen
Krieg zu führen.
XVIII.
Schwach bin ich, krank, ich
such’ des Heiles Mund,
Blind nach geliebter Sonne
stets ich strebe,
Arm, nackt, ich durst’ nach
Himmels-Gold und bebe,
Ein kaltes Wachs fern aller
Gluthen Grund.
So viel sie sich mißtraut: in
heil’gem Bund
Hofft, ja besitzt von jenem
Schatz die Seele,
Der Kraft, Gesundheit giebt,
was ihr auch fehle,
Ihr nutzen kann auf diesem
Erdenrund.
Mit solchen Gaben, solchem
muthe glühen
Wird sie in seinem Lichte,
nicht im meinen,
In Liebe danken, die sie so
empfangen.
Nicht mehr beschwert von
eitelem Verlangen,
Beflügelt, selig wird sie
heimwärts ziehen,
Im Himmel sich mit ihrem Herrn
zu einen.
XIX.
Könnt’ glüh’nden Glaubens
schauen doch, ich Träge!
Mit welcher Lieb’ Gott dies
Geschlecht erschaffen,
Mit welcher Pein erlöst es,
welchen Waffen,
Ob’s Undank auch für solchen
Segen hege!
Und wie Er’s trägt! ausstreut
auf alle Wege
Kostbarer Güter viel den neu
erzeugten!
Besorgt für die am meisten,
die bezeugten
Vertraun und Liebe in des
Glaubens Präge!
Dann, wie im ew’gen Reich Er
noch voll Hulden
Auf’s Neu’ beschenket, ziert
sie, die getreuen,
Den Helden gleich, die kränzet
Helm und Krone!
Doch ach! am Boden wegen
seiner Schulden
Klebt noch mein Sinn, nicht
nahend solchem Lohne:
Wollt’ Lieb’ sich zeigen doch
mir im Verzeihen!
XX.
Wenn Feuer Du gesandt hast,
daß es brenne,
O Herr, vom Himmel nur zu
unsrem Heile:
Wie, starren Sinn zu lösen,
solche Weile
Es zögert doch, bis los das
Eis sich trenne?
Hehr ist die Macht, die
Wirkung groß ich kenne,
Freigiebig Gott, der strenge
wacht: ob eile
Die Seele oder zaudernd sie
verweile,
Daß sie der Feuertaufe Sieg
gewänne.
Gleich starke Fackel Krieg und
Zwietracht schüret,
Bedroht mit grauisem Tod, mit
Schmach und Leiden,
Auf daß sie einst zu lichtem
Frieden führet;
Sie rührt die Seufzer, weckt
die Thränenquelle,
Verzehrt der Sinne Lust an
Erdenfreuden,
Auf daß sie blühe unverändert
helle.
XXI.
Der Liebe Wunder wie ich’s
fühl’, Dank Gott!
Hat beide Pole so in sich
vereinet,
Daß Göttliches im Menschlichen
erscheinet,
Gott wahrer Mensch ist, dieser
wahrer Gott.
Das richtet auf den Geist,
wenn ihn bedrängt
Der Erde Gluth: in Hoffnung
dann gereinet,
Erwärmt das Herz, nicht seufzt
es mehr noch weinet,
Bleibt von des Lebens Last
nicht eingeengt.
Ein mildes Joch hat mir ja
auferlegt
Die Hand, verwundet einst für
mich so tief,
Und lindern will sie’s noch
mit lichtem Strahle:
Dem Kindersinn sie öffnet
heil’ge Male
Die Schätze, die geheimer
Schlüssel hegt,
Und die zu heben Reine nur sie
rief.
XXII.
O Sonne groß, du allzeit mein
Verlangen!
Woll’ festen Heerd im Herzen
mir bereiten
Statt daß den Strahl wie im
Vorübergleiten
Ich flüchtig stets und
spärlich soll empfangen:
Das Herz erwärmt dann wär’ von
steten Flammen,
Die nährten selber sich zu
allen Zeiten,
Und matte Funken, die
behindert streiten,
Zu kräft’ger Gluth sich zögen
stets zusammen.
Zwar von der Macht sich fühlt
der Geist bezwungen
Belebt vom schönen Lichte sein
Begehren,
Doch kann ich selbst zur That
mich nicht bewehren.
So wirk’ das Wunder, Herr! daß
ich umrungen
Mich stets vom Lichte sehe wie
im Kreise,
Und innen brenne doch in
gleicher Weise.
XXIII.
Mit welcher Sorgfalt seine
Seele wahren
Soll nicht der Mensch! von
fern und nahe spähen,
Die Falten rein’gen, klären,
oft durchsehen
Mit ernstem Blick, das Rechte
zu erfahren.
Er weiß, daß er im Spiegel hell bewahren
Das Antlitz Gottes soll – die
Lieb’ verstehen,
Die unverkümmert d’rin sich
wiedersehen
Will, ohne Makel klar sich
offenbaren.
Dann Truggestalten nimmer ihn
umspinnen:
Er ehrt sich selbst in Dessen
Bild vor Allem,
Der als demüthger Sohn dem
Vater hat gefallen.
Zur Abwehr Kraft wird so in
ihm gewinnen
Die heil’ge Gluth, - daß nun
gereint, erneuet
Nichts trifft das helle Licht,
wodurch’s entweihet.
XXIV.
Weil unser Blick verdunkelt,
Sinn und Meinen
Durch leere Sucht ist, selbst
uns zu erheben:
In Gottes hellem Reich, wo
sprüht das Leben,
Nur Schatten sehn die Geister,
die verneinen.
Und war vom Herrn des Tag’s,
vom ewig Reinen,
Der Engelchor, weil wollt’ er selbst
sich messen,
Verdammt zur Nacht, zum ewigen
Vergessen:
Soll ich nicht fürchten Trug
und leeres Scheinen?
Wohl gab die allzu große
Eigenliebe,
Von erster Mutter bis zum
letzten Sohne,
Stets Waffen uns’rem Feind,
nur uns zum Schaden:
D’rum, wer den Herren suchend
auf dem Throne
Nicht fallen will: der betend
Demuth übe,
Daß schaffe Er ihm Raum auf
dunklen Pfaden.
XXV.
Wenn jene Süßigkeit, die
tröpfelt leise
Aus ew’gem Born in’s Herz,
in’s edle, stille,
Der Welt erschienen auch in
schöner Fülle,
Verklärt im Ausdruck nach der
Liebe Weise:
Vielleicht enthüllte schärfer
sich das Gleise,
Wo Schätz’ und Ehren nur sind
hohle Bürden
Und, liebesmuthig, Klüg’re
eilen würden
Zur Kreuzes Höh’, zu ihrem
Siegespreise,
Um mit dem Tod zu fühlen süßes
Leben
Nicht jenseits erst, nein,
auch im letzten Streite,
Wo And’re schwer vom langen
Wahn geschieden.
Der Geist doch,
Gottdurchglüht, Ihm ganz gegeben,
Der demuthsvoll sich seinem
Willen weihte:
Ihm wird der off’ne Krieg dann
stiller Frieden!
XXVI.
Wenn Silber und wenn Gold es
regnen würe,
Mit fert’gen Händen, off’nem
Schoß wir sähen
Die sammeln rasch, die noch im
Zweifel stehen
Der Ewigkeit, so falschen
Gutes Zierde,
Und solches Haschen,
thörichtes Beginnen
Wär’ Klügern selbst nicht
fremd, die wohl verstehen,
Daß als Verdienst Reichthümer
angesehen,
Die Palmen jetzt und Lorbeern
sich gewinnen.
Nicht wo sich neiget wirklich
uns der Himmel,
Zur Seitenwunde, die noch
heute blutet,
Man flüchtet sich, d’raus
Segen reichlich fluthet;
Wollt’ Einer je dem frommen
Drang entsprechen,
„Er täuscht sich selbst, will
durch die Wolken brechen“
Schallt und verhallt es dann
im Weltgetümmel!
XXVII.
Wenn ich den Herrn, dess’
wunderbare Größe
Nicht faßt des ersten Himmels
Weite, Höhe,
In g’ringem Kleide hier verborgen
sehe,
Daß uns’re Armuth faßte ihn,
besäße:
Dann mir erscheint der erde
Pracht und Schöne,
Ob mannigfach sie sich im
Wechsel drehen
Dem Lichte nach, bald auf-
bald niedergehen,
Gar arm und klein, daß ich ein
Nichts sie wähne.
Ja, flüchtig scheint was immer
hier umschließt
Das Sonnenreich, der Seele,
der ergießt
Sich ew’gen Feuers
überird’sche Sonne.
Und Alles, was im weiten Ringe
treibt,
Spricht zu gesundem Sinn in
Leid und Wonne,
Nur Mittel ihm zum höchsten
Ziel es bleibt.
XXVIII.
Wenn ich beseelt vom Glauben
wie vor Augen
Des Himmels Gnaden all’
deutlich gewahre,
Auf daß mein selig Herz sie um
sich schare,
Es sucht sie wie im Centrum
einzusaugen:
In so viel Freude sie’s uns
Wonne tauchen,
Daß Alles unter’m Monde muß
erblassen,
Und Welt und Tod, Unglück und
Glück muß lassen
Der Sinn, durchglüht von
solchen Liebeshauchen.
Wenn ihre Flügel dem Gedanken
dienen,
Ihn über Meer und Fluß und
Berge tragen,
Ist hohe Sonne herrlicher
erschienen!
Und bald seh’ Gott, bald
Menschen ich entschleiern
Die ew’ge Herrlichkeit, dort
glänzend feiern
Der Wahrheit sieg, vor dem die
Schatten zagen.
XXIX.
Könnt wie Zachäus so empor ich
klimmen,
Um heil’ger Inbrunst voll frei
zu erschauen
Die Sonne, die uns tagt, daß
Nichts umbauen,
Kein Schatten möcht’ den kleinen
Geist verstimmen:
Zur Wohnung würde sie sich ihn
bestimmen,
Erwärmen lieblich ihn, ich
dürft’ vertrauen,
Brächt’ mehr als Erdenfreuden
mit, die lauen,
Ließ mich schon hier im
Himmelsodem schwimmen.
Ich selbst ihr dann beim
großen Abendmahle
Als Tisch unschuld’gen Glauben
froh bestellte,
Zur Speise d’rauf mein Herz
und meine Seele;
Sie aber spräch’: daß
nuimmermehr entstellte
Dich Laster nun, dann, dort im
Himmels-Saale,
Dir treuer Liebe reicher Lohn
nicht fehle.
XXX.
Hätt’ überwunden ich mit Himmelswaffen
Mich selbst, die menschliche
Vernunft, die Sinnen,
Mit and’rem Geist ich zöge
weit von hinnen,
Weit von der Welt, die Sünde
umgeschaffen.
Auf Glaubensflügeln, der
Gedank’ umfangen
Von Hoffnung die nicht eitel,
im Beginnen,
Sucht’ aus dem Jammerthal ich
zu entrinnen,
Verklärt und groß in Tugend
ohne Bangen.
Hab’ auf des Laufes bess’res
Ziel gewendet
Das Aug’ ich fest auch, doch
nicht kann ich fliegen
Den g’raden, sichern Weg zum
sel’gen Ende.
Der Sonne Spur, Aurora seh’
ich siegen:
Der Klarheit doch mein Geist
ist nicht vollendet,
Daß höchstes Licht im
Himmelsraum er fände!
XXXI.
Bin, ewger Vater, ich, wie ich
dir danke,
Lebend’ger Zweig vom Stamm der
wahren Rebe,
Die mild umfaßt die Welt, auf
daß sie gebe
Uns Tugendkraft, die nicht im Glauben
wanke:
Dann sieht Dein göttlich Auge,
wie ich kranke
Im Schatten rings von diesen
dunklen Zweigen,
Weil keinen Schmuck sie ew’gen
Lenz erzeugen
Und dürres Mark nicht krönt
die schwache Ranke.
Du rein’ge mich, daß von des
Stammes Leibe
Allzeit genährt, getränkt von
Himmelsthaue
Die Wurzel stets ich netz’ mit
meinen Thränen!
Bist ja die Wahrheit, und:
„bei dir ich bleibe“
Verhieß Dein Wort, auf das
mein Heil ich baue:
Dann heil’gen Stammes Frucht
einst stillt mein Sehnen.
XXXII.
Die Gutes wollt’ und Böses
rasch begreifen
Und gegen Gottes Wort Sein
Räthsel lösen,
Hat mit dem Apfel Elend
aufgelesen:
Von alter Schmach sich bittre
Folgen häufen.
In hehrer Spur doch andre
Früchte reifen
Vom heil’gen Weinstock, der,
die dürr gewesen,
Die Zweige läßt umschlungen
neu genesen,
Daß Farbenfrische nimmer ab
sie streifen.
Fest hat des Heiles Stamm sie
nun umfriedet,
Der Leben quillt, nachdem
verbot’ner Raum
Die Welt an Elend hat und Tod
geschmiedet.
Warum zum Gipfel steigen, um
zu fallen,
Da schirmt der Rebe Stamm in
heil’gem Raum,
Zeigt Jedem, was ihm frommen
kann und Allen?
XXXIII.
Ist in der Brust versiegt mir
eitel Hoffen,
Der Erde Schein; will auch das
Herz nicht lassen
Bei Drohung, Schmeichelei, bei
Lieb’ und hassen
Sich selbst, der Furcht nicht,
dem Gewinn nicht offen:
Warum mit Diesem seufzen,
Jenem lachen
Soll ich, wie’s bunte Laune
gibt, und Stunden
Verlieren nur, vom Irrthum
festgebunden,
Daß Lieb’ mich drängt, will
solchen Anspruch machen?
Noch ist vom bösen Baum die
Frucht, die herbe,
Nicht dürr in mir, noch bringt
der ird’sche Sprosse
Die Blumen schadhaft nur, und
falb die Zweige.
Doch hoff’ ich, daß im
heil’gen Feuer sterbe
Der gift’ge Wurm einst,
heimlicher Genosse
An meines Lebens Wurzel, daß
er schweige!
XXXIV.
Mag uns die Sonne ihre
Strahlen spenden,
Wie stets gerecht, in Güte
auch die gleiche:
Entlarvend Laster, daß der
Tugend reiche
Sie süßen Lohn, nicht weil wir
Kunst verwenden:
Statt zu studiren, Blätter
umzuwenden,
Laßt bitten uns, daß Täuschung
von uns weiche:
So viel die Seele nascht in
dem Bereiche,
So viel wird sie vom rechten
Weg sich wenden.
Geschlossen eins, das rechte
Aug’ nur offen,
Der Glaube muß, beschwingen
muß das Hoffen
Weit über sich empor jedwede
Seele;
Denn wahre Demuth zeigt ihr
sonder Fehle
Die heil’ge Schrift, und
Innigkeit nichts raubet
Je ihr, die, ob sie wenig
liest, viel glaubet.
XXXV.
Wo forscht der Blick, das Herz
die bange Frage sendet
In diesem Zwielicht rings, im
Todesleben,
Wo g’radem Weg die krummen
widerstreben,
Bis da die letzte Stunde Alles
endet:
Fühlt sich von Hoffnung bald,
von Furcht gewendet,
Dem Sturm die Seele machtlos
untergeben,
Wenn sie des Hafens Schutz
nicht heimgegeben,
Den off’nes Herz am Kreuz uns
liebreich spendet.
Hier stilles G’nügen ihr und Tröstung
wohnet
Demüth’gen Glaubens voll: das
Ich zergehet,
Auf daßß es neu in ew’gem
Lichte thronet.
Je mehr sie Erdenglück und
Tand verachtet,
Je süßer Morgenluft da
niederwehet;
Da wahrer Eremit sie lebt,
betrachtet.
XXXVI.
Bisweilen wird der Menschengeist
getragen,
Wenn Glaub’ und Hoffnung nur
die Flügel blähen,
So hoch, daß er den Erdenring
zu sehen,
Die Pole glaubt, ihm neue
Sphären tagen!
Sein Flug die Schaaren selbst
nicht mag befragen
Der Engel hier und dort -;
nicht widerstehen
Als Gottes Kind er kann, Ihm
nah zu gehen
Und Ihm allein sein Innerstes
zu sagen.
Nicht auf Verdienst ja schaut
Sein Herz, das weite,
Auf dürftige Natur sieht Liebe
nur,
Die brennend sich gewagt in
solche Spur;
Und mit dem Segensquell der
heil’gen Seite
Erschließt Er Sein Geheimniss,
reicht zum Pfand
In lieblichem Gespräch die
wunde Hand.
XXXVII.
Ein Ball von tausendfachem
Sternenkranze
Mir hoch erglänzt, darin die
Sonne hehr,
Die zündet mächtig stets das
Feuermeer,
Löscht wie die unsre nicht im
Abendglanze.
O, wann hinauf zu solchem
Sphärentanze
Folgt dem Gedanken je dies
Herz, so schwer!
Da, was er nahm im Himmel, oft
nicht mehr
Festhält der Geist, weil bald
erlosch das Ganze!
So blindlings mal’ ich nur die
schwachen Schatten
Vom Sonnenkörper und von
ew’gen Dingen,
Mit dumpfer Stimme red’ ich
nur, der matten.
Doch zeigt die Sonne sich,
dann auch sich kläret
Der Sinn, und leiht von ihr
die lichten Schwingen:
Er fliegt, wenn sie ihm Nacht
und Nebel wehret.
XXXVIII.
Nachdem das wahre, unsichtbare
Licht
In Christus uns sich hell
geoffenbart,
Als Himmels Erbe sich, als
Lohn erwahrt
Was aus dem Segensquell der
Wunden bricht:
Welch’ ein Verführer uns mit
Trug umflicht,
So daß den hehren Platz, dem
Geist bestimmt,
Er frech zum Throne für die
Sinne nimmt,
Der Wahrheit wie der Sonne
achtend nicht?
Die, kraft des Beispiels,
ihrer großen Spur,
Kraft neuer wie der ältesten
Geschichte,
Uns ruft und mahnet ihr zu
folgen nur?
Doch dies verworr’ne, falsche
Labyrinth,
Stets tiefer führend uns in
Waldes Dichte,
Noch fort und fort das blöde
Aug’ umspinnt.
XXXIX.
Zwei Leuchten ew’ge Sonne uns
entzündet,
Damit wir endlich Werk zum
Ziele führen:
Daß sich Gedanken nicht in
Traum verlieren,
Sich hellem Urtheil Will’ und
That verbündet,
Wirkt eine erst; die andre uns
entwindet
Gemeinem Erdenweg; zu Gott sie
deutet,
Des Willens Schwinge sie
hinüberleitet,
Bis, Gott sei Dank! in Ihm er
Ruhe findet.
Natürlich Licht, das erste,
hält in Schranken
Ein edles Herz, daß jede Kraft
es reget
Zu höh’rem Zweck, macht dienstbar
ihm den Willen.
Das zweite dann schält von dem
Ich die Hüllen,
Zur Selbst- und
Welt-Verachtung es beweget,
Verklärt in Gott das Wesen,
die Gedanken.
XL.
Wär’ taub hier nur mein Ohr, o
wär’s verschlossen,
Daß ich im Geiste lauschen,
ganz versunken,
Den Engelstimmen könnt’ – von
Tönen trunken,
In denen Lieb’ und Frieden
sich ergossen!
Ein Lebenshauch, von Herz zu
Herz erschlossen,
Weht in den reinen,
überird’schen Klängen,
Zu gleichem Ziel bewegt, daß
sie vermengen
Dem Einklang sich, den Mißlaut
nie durchflossen;
Wie hebt die Stimme, mäßigt
sie die Liebe,
Faßt in ihr Maß Gesanges weite
Welle,
Daß nie er weicht von dem
gegeb’nen zeichen;
Stets süßer wird der Ton, ob
er sich übe
In mannigfacher Wendung,
steige, schwelle,
Weil, wer ihn schuf, beherrscht
ihn ohne Gleichen.
XLI.
Kann flücht’ger Ton, der
bebend muß durchdringen
Die Luft, die ihn entfesselt
hier, die schwanke,
So daß auf Schwingen wiegt
sich der Gedanke,
Gelöst aus kranker Brust, so
süß doch singen,
Mit solchem Zauber oft das Herz
bezwingen,
Daß jeder Sorg’ erlöst es kann
erheben
Des Geistes ganze Kraft hinauf
zu streben,
Um kühnen Flugs vom Boden sich
zu ringen:
Was wird der Seele erst
geschehn, der reinen,
Kann mit dem innern Ohr ihr
ganzes Wesen
Der Wahrheit horchen einst, ihr
sich vereinen!
Im höchsten Himmel, - was wird
ihrer warten,
Wo Ton und Maß harmonisch
stets sich lösen,
Ein Klang durchwehet Gottes
ew’gen Garten!
XLII.
Wenn uns der Gnade Strahl
herniedersendet
Der höchste Herr: erst er den
Sinn sich eignet
Der Art, daß sich der Wille
selbst verleugnet
Und Mühe aufgibt, die nach
Lohn sich wendet.
ist er in Reu’ und Demuth tief
gewendet,
Zerknirscht um Sünde, die er
niemals leugnet,
Rührt Gott mit Feuer ihn: nun
neu gezeichnet,
Nun fremd der Welt, ihm Glaubensmacht
er spendet.
Doch daß auch dies als
Schatten einst verwehet
Des wahren Lichts, nur Bürg’
dem Frieden stehet,
Der sel’ge Geister wandellos
umschlinget,
Zeigt dann der Herr, und Heil!
die Seele dringet,
VON Glaub’ und Hoffen rasch
empor gehoben,
Zur Himmelsthür, um ewig Gott
zu loben.
XLIII.
Der Vater ist’s, der läßt der
Liebe Schlingen
Zu uns herab, daß zieht der
Sohn sie an,
Und minder nicht wie Er das
Werk getan,
Als selber dies muß uns das
Herz bezwingen;
So fühl’ ein feines Feu’r ich
es durchdringen,
Das, wie’s auch brennt, mich
nur besel’gen kann,
D’raus eine Stimme ruft mich
himmelan
Und spornt mich, wahrer Ehre
nachzuringen.
Und Glaub’ und Hoffen bildet
und erbarmen,
Geführt von Demuth, die allein
uns weiter
Zum Himmel weist, die stufenreiche
Leiter.
Da steigen Sel’ge mit
verschlung’nen Armen
Als helle Kette hoch empor
gezogen,
Sich spiegelnd all’ im reinen
Himmelsbogen.
XLIV.
Wer jemals in des Lebens
letzten Stunden
Mag seiner Schuldenlast
trostlos gedenken,
Der muth- und glaubensvoll sie kann versenken
In Christi bittern Tod, in
seine Wunden?
Wer hat der Irrfahrt Grausen
noch empfunden,
Wie’s siechem Blick sich
zeigt, wer mag ihn lenken
Zum düstern Nebel noch, mag
nicht ihn tränken
Mit wahrem Licht, in dem uns
Heil gefunden?
Traun! diesen Waffen ist im
letzten Streite
Der Sieg gewiß: nach bitt’rer
Saat hienieden
Winkt froh ihm ew’gen Friedens
süße Beute.
Der Führer, treu und wahr, der
hat verlassen
Den Himmel, um die Hand dahin
zu bieten,
Wird uns der List des Feindes
nicht mehr lassen!
XLV.
Um sicherm Dienst in dunkler
Nacht zu hüten
Der Kohle Gluth, am Abend erst
entzündet,
Muß, daß sich morgens noch das
Feuer findet,
Vorsicht es decken und ihm
Luft verbieten:
Noch mehr sich ziemt’s den
Sinnen zu gebieten,
Am Heerd desHerzens klug sie
fest zu halten,
Daß Diener sie des Geistes
höherm Walten
Sich heil’ger Absicht weihn,
in gutem Frieden.
Weil, öffnen in der dunklen
Nacht, der kalten,
Wir selbst den Einzug
feindlich rauhem Winde,
Ist Himmelsspur im Herzen bald
verglommen.
D’rum fromme Zucht den Sinn
muß ordnend halten
Ihr unterthan, daß Feindeslist
nicht binde
Der Seele Kraft, von äuß’rem
Sturm genommen.
XLVI.
Wenn hoch das Meer mit wilder
Fluth umspület
Und zornig peitscht des festen
Strandes Schwelle,
Dann, trifft den festen Fels
die stolze Welle,
Ihr Übermuth sich selber
bricht und kühlet.
So ich, wenn mich das Wasser
rings umwühlet
Der stürm’schen Welt: den
Blick getrost zur Helle
Erheb’ ich dann; wie hoch die
Brandung schwelle,
Mein Herz nur fester auf zum
Himmel zielet.
Facht der Begierde Zugwind
dann auf’s Neue
Den Krieg mir an, zum Ufer
wird er treiben,
Weil Liebe eilet mit des
Glaubens Banden,
Ihr Fahrzeug zu vertraun dem
Fels der Treue
Jesus; dann kann, mag nahe ich
ihm bleiben,
Ich leicht und bald im sichern
Hafen landen.
XLVII.
Daß könnt’ der Mensch mit
klarem Auge schauen,
Wie elend, schwach Natur, sich
selbst gelassen!
Wie’s eitel ist, an ihre Maße
fassen,
Die man nicht mindern kann,
nicht höher bauen!
Mit Kindessinn er würde
anvertrauen
Dem Vater sich, ihm Sorge
überlassen,
Der nährt die Vögel, nimmer
läßt erblassen
Der Lilie Schmuck, so herrlich
anzuschauen!
Weil jeglich Gut für uns in
ihm beschlossen,
Zu lieben ziemt’s ihn nur, und
g’ring zu achten,
Dem edlen Herzen, was am Wege
winket.
Vom heil’gen Holz ja off’ne
Seite winket,
Das Antlitz fleht, der Liebe
nachzutrachten,
Die hat ihr Herzblut für mich
ausgegossen.
XLVIII.
Durch Frost und Nebel möcht’
zu Gott ich eilen,
Durch Feuer und durch Licht oft,
möcht zerstreuen
Die Hüllen alle mir, daß sie
befreien
Des Himmels Licht, daß sich
die Wolken theilen.
Muß auch im Finstern noch der
Geist verweilen,
Doch all sein Sinnen ist
hinauf gekehret;
In großer Stille einen Laut er
höret,
Fühlt ihn vielmehr die
Einsamkeit zertheilen:
Nicht fürchte, sagt er: kam
aus Meeresweiten
Dein Jesus zu Dir, aus den
ew’gen Reichen,
um Deine Last zu tragen, zu
erfassen;
Auf tiefem Grunde Seiner Güte
gleiten
Wird der bescheid’ne Kahn, in
Seinem Zeichen,
Der sich mit Kindesglauben ihm
gelassen.
XLIX.
Das große Aug’, das göttlich
tiefe, klare,
Das sah nicht je, nicht sehen
wird, stets sieht,
Von glühn’der Brust (ihm sei’s
gedankt!) es zieht
Des Zweifels blinde Furcht,
die unfruchtbare.
Sie weiß, daß es Gedanken selbst
gewahre,
Des Wortes und des Werkes
Unterschied
Wägt, uns’re Zeit selbst bis
in’s kleinste Glied,
Und dass vor Trug ein arglos
Herz es wahre.
In Zuversicht von seiner Macht
durchdrungen,
Nicht sollen gleich dem ersten
Elternpaare
Wir andre tadeln um die eig’ne
Schuld,
Vielmehr, hat Hoffnung,
Reueschmerz, der wahre,
Uns auch die letzte Hülle
abgerungen,
Demüthig zeigen nur uns seiner
Huld.
L.
Schwebt’ glänzend stets am
klaren Himmelszelt
Die gold’ne Sonne auf des
Mittags Höhe,
Daß immer hell und wolkenlos
es sähe
Inbrünst’ger Geist, - das Bild
so hochgestellt:
Nicht Noth dann hätt’ es für
die blinde Welt,
Zu suchen jenseits, wenn nicht
in der Nähe,
Ob trauten Strahl sie irgendwo
erspähe,
Der ihr das hehre Licht vor
Augen stellt.
Doch oft uns Sinnennebel es
verdeckt:
Dann sucht das inn’re Auge
nur, das blöde,
Des Blitzes hohe Kraft in
falschem Schimmer.
Ist trüglich auch das kranke
Auge immer,
Fest geht sein Streben doch
durch diese Oede,
Weil Sehnsucht sich zu Stern
und Sonne streckt.
LI.
Schau’ auf den Ursprung, der
bestimmt Dich, Seele,
Für dieses Sein, und daß,
der’s gab, anfachte
Die Hoffnung, deren Frucht Du,
wohl beachte,
Verscherzest durch des eig’nen
Willens Fehle.
Nah bist dem Ufer Du, Dir’s
nicht verhehle,
Das führt zu ew’gen Freuden
oder Strafen,
Wie hier die Lockungen der
Welt dich trafen
Aus der Sirenen trügerischer
Kehle.
Sei auf der Hut, daß Letztes
Dich nicht wende
Vom ersten Urgrund weg, nicht
in Dir schände
Des Staubes trübe Farbe Gottes
Bild.
Mißgönnt ja Gnade nicht, und
nicht verhüllt
Sie Himmelsstrahl, die Stütze
sonder Wanken
Wenn Reu’ erneuert uns Sinn
und Gedanken.
LII.
Weil weidet Dich der Herr mit
süßem Thaue,
Zu Ihm, o Seele! oft die
Hoffnung wecke,
Der löscht, zerstreut, ob sie geschickt
sich decke,
Der Eigenliebe Arglist; Ihm
vertraue!
Denn mit dem Kreuz, mit Blut
und Schweiß soll dienen,
Mit einem Willen, den Gefahr
erhöhet,
Der träge nicht vor Müh’ und
Arbeit stehet,
Der Mensch dem Herrn: so soll
den Fluch er sühnen!
Traun! keiner Arbeit sträuben
sich die Glieder,
Die ihrem Haupte innig stets
verbunden,
Das einst mit so viel
Bitterkeit umwunden;
Und Du, Gedächtniss! sag’ es
immer wieder:
Daß Er so karg für sich mit
jedem Gute,
Als er freigebig ist dem
gläub’gen Muthe!
LIII.
Verhüllt Du bist in deines
Lichtes Meer,
O Herr, wie in gewalt’gen
Finsternissen;
Doch aus dem Spiegel
Liebesflammen gießen
Sich unermesslich segnend weit
umher.
Du Schöpfer! was da lebt, es
lebt nicht mehr
Auf Deinen Wink; vor Deinem
Wort zerfließen
Die Welten all, wie sie im Nu
entsprießen:
Hinab, hinauf, Du bist der
Führer hehr!
Schau mildreich denn auf
diesen Punkt der Erde,
Wo ich betrübt in dieses
Leibes Hütte,
Um Gnade, die Dir eigen,
kindlich bitte.
Die Seele schon gehört zu
Deiner Heerde;
So sieh, da wärmst von fern du
mich, o Sonne,
Dies Stäubchen nah’n Dir
einst, verklärt in Wonne.
LIV.
Abgrund des Lichtes Du, des
ew’gen, reinen,
Gib wieder Deinen Strahl voll
Mittleid Jenen,
Die, klug der Welt,
ameisenhaft ihr fröhnen,
Ihr, ob auch harten Herzens,
weise scheinen.
Zerstreu’ den Wahn, die
Scheidewand von Steinen,
So noch sie deckt, ihr
aberwitzig Wähnen,
Die Schatten Adam’s, herzlos,
ohn’ Versöhnen,
Die kalt und stolz Dein
truglos Licht verneinen.
Daß heil’gem Hirten Ehr’ sie
wiedergeben,
In Deinem Kleid, in
ungefälschtem Glauben
Sie tragen Dein Gesetz, in’s
Herz geschrieben;
Denn könnt’ der eig’nen
Reizung sich berauben
Die Seele ganz, leicht würd’
hinüberschweben
Zu sicherm Ufer sie in
glüh’ndem Lieben.
LV.
Beleben will die Hoffnung sich
auf’s Neue,
Die schon erloschen mir, war
fast erstorben,
Zu sehn das Land, um das wir
lau geworben,
Das deckt und schmückt des
großen Grabes Weihe.
Dort kühne Streiter, heißt’s,
in Muth und Treue
Nicht scheuen Noth und Tod; und
wenn solch’ Wagen
Fast fremd dem Glauben nun und
solch Entsagen:
Ihr Blut ein glüh’nder Same
wer’, und leihe
Durch Wen’ge Vielen Kraft, daß
die Erwählten
Mit lauter Stimme Allen nun
bekennen
Den wahren Herrn, fast unserm
Sinn entschwunden,
Daß sie, wo wir zur Schmach
der Treue fehlten,
Dem Kreuzesbanner offen treu
verbunden,
Es laut der Welt als
Siegeszeichen nennen.
LVI.
Nacht kann in Licht, in
Wahrheit Falsches wandeln,
In Recht das Unrecht und zum
Freund den Feind,
Der muthge Liebe Glaubensstärke
eint –
Im Kampf lehrt kühn, im
Frieden mäßig handeln
Das höchste Licht; wenn
Herrschaft ihm gelassen
Die Seele treu, wenn’s
d’rinnen wacht und scheint,
Sie mahnt, was kranken Sinnen
süß erscheint,
Als werthe Beute siegreich zu
erfassen.
Es hellet rings die ungewisse
Ferne,
Daß warm und mild durchbrechen
sie die Sterne,
Daß weicht der Nebel dicht,
zerschmilzt das Eis;
Und stets es weiter zündet so
im Gleis.
Wohl uns! dann ewig junger Tag
enthüllet,
Was heimlich drohend diesen
Raum erfüllet.
LVII.
Als Gott der Herr, nach
uns’rer Liebe trachtend,
Jedwedes Mittel fand für uns
zu g’ringe,
Wenn nicht als Mensch
herniedersteigend ginge
Er selbst den Kreuzweg, sein
Blut nicht achtend;
Da sah man vor dem nackten
Bild, dem bleichen,
Die Feinde waffenlos, in
Trümmer stieben
Ihr stolz’ Geschütz; der
Schlange war geblieben
Vom hohlen Ruhme nichts,
gelöscht ihr Zeichen!
Triumph so neu! Sieg, nimmer
noch gewesen!
Daß siegt der stirbt, da er
der Gegner Banden,
Gefangen, selbst gebunden,
weiß zu lösen.
Fürwahr! leer war von Stolz
der Ruhm, erhaben
Vor jedem doch: wollt’ uns im
Beispiel lehren
Der Demuth Heil: wie reich wir
auch an Gaben!
LVIII.
Daß sich der Himmel öff’n, und
überfließe
Der Gnade Strom auf uns’re
ganze Erde!
Daß allen Seelen reiches Erbtheil
werde,
Und Tugend, Heiligkeit, sich
rings ergieße!
Daß überall ein neuer Frühling
sprieße,
Nur reinen Nectar ströme jede
Welle,
In reich Geschmeid’ sich
kleide Ufers Schwelle,
Die Felsen all’ des Demants
Glanz durchfließe!
Um jenen inhaltschweren Tag zu
feiern
Der göttlichen Geburt, der
hochersehnten,
Die Heil gebracht den Völkern
all’ hienieden.
Doch zu lobsingen dem von
Erdenschleiern
Umhüllten Gott, - o, daß dazu
ertönten
Der Engel Stimmen schönste,
kündend Frieden!
LIX.
Heut’ von Johannes Hand ich
seh’ benetzen
Des Jordans heil’ge Fluth den
Gottessohn,
Daß rein’ge Er nicht sich von
Sündenlohn,
Doch dies Geschlecht nach
höheren Gesetzen.
Im Fleisch ach! sucht der
Wille sein Ergötzen
Und wird auf’s Neu befleckt,
wenn spricht er Hohn
Dem reinen Quell, dem er
entfremdet schon,
Mag auf die Lust er seine
Hoffnung setzen.
Wohl mahnt der Herr uns heute
ihn zu hören,
Da giebt dem Sohn ein Pfand er
durch die Taube,
Wie Jesus opfert sich im
Kindeswerke.
D’rum treu gehorchen wir den
heil’gen Lehren!
Fest halte diese Zeichen stets
der Glaube!
Das hohe Beispiel ja ist
uns’re Stärke.
LX.
Wie, Gott gehorchend, einst
die Weisen mieden
Grausame Herrschaft in Herodes
Landen,
Daß, menschliche Vernunft
beseit’gend, fanden
Sie zu dem heim’schen Reich
den Weg in Frieden:
So soll’n wir fliehn, für
immer sein geschieden
Von dieser argen Welt; aus
ihren Banden
Zum Pfad uns retten, einsam,
unverstanden,
Für sel’ges Ziel, das droben
uns beschieden;
Nur frevler Ungehorsam, stolzer
Wille,
Ließ fallen aus dem Himmel uns
hernieder,
In langem Bann vom kurzen Wahn
zu heilen;
Doch kann der Mensch, Dank
Gottes Gnadenfülle!
Sein wahres Vaterland gewinnen
wieder,
Will mit dem Herrn demüth’gen
Weg er theilen.
LXI.
Unschuld’ge Kindlein, Euer
König geht,
Läßt, unbesiegbar selbst, in
Todesschtrecken
Euch nackt zurück, daß zarte
Leiber decken
Ihn vor Gefahr: Heil Euch! für
Ihn Ihr steht!
Herodes grause Wuth, die
niedermäht
So schöne Keime, da sie kaum
entsprossen,
Reicht doch Euch dort, ist
alle Zeit verflossen,
Des Lebens Frucht, die raschem
Tod ersteht.
Der Mutter Brust entrafft,
statt Worten zeigen
Nur Thränen Eure Qual; als
Perlenreihe,
Am Palmzweig hell, sie auf zum
Himmel steigen;
Kaum an den Schultern zart die
Flügel kommen,
Als auch Ihr süßen Kinder
höh’rer Weihe
Den ersten Flug schon
himmelwärts genommen.
LXII.
Als Jesus, was Verrath gottlos
ersonnen,
Dem Jünger, den er liebte,
still vertraut:
Der, fürchtend daß aus seinem
Antlitz schaut,
Was stumm ihn mit Verwirrung
überronnen,
Will, dies zu bergen, an der
Brust sich sonnen,
Die treu sich bot. Doch eh’
sein Auge thaut
Die bittern Thränen all, eh’
Schmerzenslaut
Sich Luft gemacht, hat Schlaf
ihn süß umsponnen.
O lindes Bett, in das sein
Traum gesunken!
Kein Vogel je die Höhe konnt’
erschwingen,
Die, da er sank, der heil’ge
Aar erstiegen.
Von Sphär’ zu Sphäre sieht in
Himmels Ringen
Die Pol’ und Sterne er, von
Liebe trunken;
O dreimal selig, so im
Schlummer liegen!
LXIII.
O Tag des Heils, Du
Himmelsfest der Erde!
Da gab der Herr den heil’gen
Leib, den reinen,
Zur Speise uns, zum Pfand, daß
bei den Seinen
In wüster Welt er allzeit
bleiben werde!
O daß die Macht der Sünde
Wucht bezwungen!
Es konnte bei dem harten Volk,
dem blinden,
Des Himmels Sprache nicht die
Herzen finden,
Die unrein nicht von reinem
Hauch durchdrungen.
D’rum Abscheu, Staunen
höchstens hat gefunden
Der Stolze dann in solchen
Lohns Bedeutung:
Zur Speise selber sich uns
hinzugeben.
Die nur, die Haß mit Liebe
überwunden,
Mit Glauben des Gesetzes strenge
Deutung,
Im Geist sie nährt der Gabe
ewig Leben.
LXIV.
Als vor dem Himmel blutgefärbt
entblößte
Die schönen Glieder hoch am
Kreuze Jener,
Der Willen gab und Leben, der
Versöhner,
Dem Vater folgsam, als er uns
erlöste:
Da fluthete der Quell, vielmehr
erschlossen
Das Meer der Gnade war, und
eingehalten
Des Zornes längst bezeichnete
Gewalten,
Wie im Gesetz der Fluch sie
ausgestoßen.
Zu sterben Engel konnten da
begehren
In heil’ger Gluth: doch
erstgeborne Liebe
Ihr weise Schranken zog in höh’rem
Sinne:
Sie sprach: ein Andrer konnt’
nicht meinen Ehren
Genug thun, leiden so aus
heil’ger Minne,
Nicht rein’gen andres Blut
befleckte Triebe.
LXV.
Als meines Herren heil’ge
Schultern beugte
Das Kreuz so tief, daß Ihn zum
Falle brachte
Die Last, welch’ Schloß des
Himmels Thor bewachte,
Daß nicht er öffnet’ sich und
niederneigte?
Mitleid mit uns, die Liebe
sein erdachte
So viel der Grausamkeit für
sich; des süßen
Unschuld’gen Bluts auf unsre
Flecken gießen
Mußt’ Er so viel, daß frisch
die Welt erwachte,
Daß nun dem Kampfe uns’re Ruh’
entblühe,
Den alles Friedens Fürst
kämpft für die Seinen,
Licht Ihnen leuchte, da das
Aug’ Er schließet!
Gott weiß, wann Er und wem den
Schleier ziehe,
Der Sein Geheimnis wunderbar
umfließet.
Er irret nie; blöd’ nur ist
unser Meinen.
LXVI.
Gestraft durch uns ich seh’
die Unschuld bluten
Für unsre Schuld; entblößt,
mit Schmach bedeckt,
Den Herrn des Himmels sterbend
ausgestreckt
Auf’s Holz, Verderben kehrend
uns zum Guten;
Gekränkt durch bittern Hass
die echte Liebe,
Demuth von stolzem Übermuth
geneckt,
An Ihm jedwede Grausamkeit
vollstreckt,
Der liebend starb, daß Schuld
uns nicht betrübe!
Ausgoß sich Gottes Güte da auf
Erden,
Daß, ihr betheiligt nun, die
treuen Seelen
Gestärkt sind, jede Kränkung
zu ertragen;
Begabte Geister unterthan ihr
werden;
Paul, Dionys die Wahrheit nur
erwählen:
Vom hohem Urgrund muß die
Wirkung sagen.
LXVII.
Die Auserwählten in der Engel
Chor
Erglühen heut’, schmachvollen
Tod’s zu sterben,
Damit am Thron, um dessen
Gunst sie werben,
Der Nied’re nicht dem Höhern
gehe vor;
Und Eva weint, daß sie des
Himmels Thor
Verschloß um sünd’ge Lust
einst ihren Erben,
Bis wunde Hände führen vom
Verderben
Uns in die reine Spur, die sie
verlor.
Die Sonne selbst birgt zagend
ihre Strahlen,
Es öffnen Berge sich, und
Felsenspalten
Entsteigen Todte, Erd’ und
Himmel beben;
Das Wasser stürmt;
feindsel’ger Geister Qualen
Erdröhnen laut, weil sie in
Bann gehalten.
Du, Mensch, nicht weinst, der
weinend kam in’s Leben.
LXVIII.
So manches Jahr ist treuer Ruf
ergangen
An seine Heerde laut vom guten
Hirten,
Von gift’ger Au zu führen die
Verirrten,
Daß sie zum Heil, zu heller
Höh’ gelangen.
Den Schuldbrief dann mit sich
an’s Kreuz gehangen
Hat offen Er; ihn Dorn und
Nägel zierten,
Die tief des Lebens heil’ge
Quellen rührten,
Da Blut und Wasser aus der
Seite drangen.
So ehrt sie Gott, da selber
sie sich weidet,
Die Herde sein, auf daß mit
wenig Thränen
Sie langen Irrweg mag und
Schuld versöhnen.
An schwerem Druck wohl,
dumpfem Nebel leidet,
Der, nur berührt von solchen
Strahles Näh’,
Sich nicht verzehrt vor ihm
wie Wachs, wie Schnee!
LXIX.
Ist Mittelpunkt sich selbst
erst unser Sinnen,
Und findet’s dann ihn, außer
sich, dort oben,
Dann andre Kraft sich will in
ihm erproben:
Der Herr am Kreuz muß Platz in
ihm gewinnen;
Nicht bloß als Glied; die
Seele fühlt nach Innen
Geeint sich ihm; die Nägel und
die Dornen
Und Gall’ und Essig heißen
Durst ihr spornen;
Der Glaube läßt Sein Feuer sie
durchrinnen.
Das ist nicht unser: Gnade nur
von Gott:
Er giebt den Geist zur
Richtschnur und zum Führer,
Der wehet, wo er will, zur
Erde nieder.
Wer baute hier auf Sand in
seiner Noth,
Würd’ sich auf’s Neu’ mit Adam
wenden wieder
Zum alten Trug, den fortspinnt
der Verführer.
LXX.
Am harten Holz für unsre
Schuld, die Schwere,
Hängt unser Herr; doch wunden
Herzens Triebe
Nicht schöpfen so viel Tugend
aus der Liebe,
Daß es an Ihm zu hängen nur
begehre!
Göttlich im Wort, zeigt die
erhab’ne Lehre
Das Leben klar; er gab sie
tief zu färben
Sein Blut; zum Pfand er gab
sich selbst im Sterben,
Daß Liebe nur des Werkes
Antrieb wäre.
Die Seele lebt von diesem
Feu’r, und Speise
Ist dem Verstand dies Licht,
so daß durch beide
Sich stärkt und hebt gereinigtes
Bestreben.
Aus bittern Wunden treffen
solcher Weise
Viel tausend Pfeile mich, dem
Liebesleide
So Sterben muß unsterblich
Leben geben.
LXXI.
Gewiß, die Probe sich’rer wär’
gewesen,
Um, ob der Herr noch lebe, zu
erkunden,
Wenn, statt Ihm rechts zu graben
neue Wunden,
Die linke Seit’ hätt’ rohe
Hand erlesen.
Doch daß Sein Herz in
ungetheiltem Wesen
Für jene lebt’, die geistig
Ihm verbunden,
Hat blinde Hand die Stelle
nicht gefunden,
Auf der, wie sonst, der
Zweifel war zu lösen.
Nun unberührte Heimath ist’s
geblieben
Den Kindern Sein, wo süß Sein
Blut sie tränket,
Wo Er sie speist, verborgen
gift’ger Schlange.
O, wenn in die Betrachtung
sich versenket
Der Geist, auf heil’ger
Thränenfluth getrieben,
Bleibt fern der Welt er, ihrem
nied’ren Drange.
LXXII.
Aus heil’ger Seite helle
Strahlen glühen
Und Tropfen heiß von des
Erbarmens Gluthen,
Die sind ein mächtig Schild
vor Zornes Fluthen,
Wollt’ ewger Gott zur
Rechenschaft uns ziehen.
Der fremdem Wohl die Kräfte
all geliehen,
Der nackt für sich, für uns
mit Ruhm bekleidet,
Im Leben klar und heilig,
Armuth leidet,
Freigebig doch im Tod uns hat
verziehen:
Aus off’ner Wunde süße Lust er
reichet,
Des Jubels Bürge, der dort
oben tönet,
Auf daß sich fest’ge Glaubens
heilig Sehnen.
O Heiles-Grund! der Zwiespalt
nun versöhnet
im Menschen so, daß jede Sorge
weichet
Dem Wunsch: der Thränen Lohn
auch seien Thränen.
LXXIII.
Am Kreuz die Arme öffnend und
die Wunden
Hast Herr geöffnet Du des
Himmels Pforte,
Vorhölle, Fels und Grab, die dunklen
Orte:
Des Tempels Vorhang riß, Trug
war geschwunden;
Es floh’n die Schatten, die
den Sinn gebunden,
Das Eis sich löste all vor
Deinem Worte,
Und Lieb’ entquoll in
mächtigem Accorde:
Nun heller Sinn war dunkler
Schrift gefunden.
Neu strahlt das Reich der
Gnade und der Milde,
Bisher in des Gesetzes Zwang
verborgen,
Da sklav’sche Furcht sich
hielt an Zahl und Siegel;
Nun Frieden tagt hoch auf des
Kreuzes Schilde,
Der Nacht entsteigt ein
Auferstehungsmorgen,
Da weicht vor Gnad’ und Lieb’
der Grabesriegel.
LXXIV.
Im Glauben weiß ich, Herr, daß
hat geschaffen
Dein starker Arm, Dein
mächt’ger, diese Seele,
Daß selbst Du kamst zu heilen
uns’re Fehle,
In g’ringem Loos Du prüftest
unsre Waffen.
Und daß am Kreuz Du bittern Tod gelitten,
Demüthig fremde Schuld auf
Dich geladen,
Die Hölle schlossest, und des
Himmels Pfaden
Den freien Zugang glorreich
hast erstritten.
Und daß ich dennoch, Herr!
Dich so nicht liebe,
Als wie ich soll; mag ich’s
mit Schmerz bereuen;
Vielleicht verlängert dies mein
armes Leben;
Zu lösen muß ich’s, zu
verlängern scheuen
Das Band, mit dem umschlang
mich Deine Liebe:
Doch meinen Wunsch Dir zu
erkennen geben.
LXXV.
Wenn voll von Glaubensgluth
der Geist sich hebt
Zum Sohn am Kreuzes-Stamm,
dann führet
Ein lieblich Licht, das nah
den Himmel spüret,
Zum Vater ihn, wo’s selig ihn
umwebt.
Doch dieser Gunst sich nimmer
überhebt
Die Seele treu, weil streitet
sie entgegen,
So wie der Welt, sich selbst
auf allen Wegen;
Nach Gottes Ehr’ und Ruhm
allein sie strebt.
Dahin des Menschen Flügel
nimmer tragen,
Rührt Gottes Hauch sie nicht;
den Weg entdecken
Kein Auge kann ohn’
überirdisch Licht:
Denn blind ist unser Wollen,
Wirken, Wagen,
Nicht spannenweit läßt sich
die Flugkraft strecken,
Wenn Jesu feste Stütze uns
gebricht.
LXXVI.
Gewaffnet nur mit des
Gehorsams Milde,
Mit wahrer Liebe, kamst Du,
Himmelskönig,
In diese stolze Welt: es galt
ihr wenig
Dein Reich; bösartig war dein
Volk und wilde;
Du nahmst der Schrift den
Fluch von düst’rem Bilde
Des ersten Menschen: elend,
unterthänig
Dem Wollust-Götzen als dem
wahren König,
Gebeugt in’s Joch, gedrückt
von ehr’nem Schilde.
Dir ist auf off’nem Feld der
Sieg geblieben;
Nahmst dann bescheid’nen Flug
zum Kreuzesstamme,
Anheftend dort die Schuld, mit
Blut geschrieben;
Und graden Wegs, beladen mit
der Beute,
Schwingst Du zum Himmel Dich:
Triumph dem Lamme!
Glorreich am End’ der Zeiten
noch wie heute!
LXXVII.
Kannst, treuer Glaube, du
nicht immer dringen
In Jesu Herz: laß g’nügen dir
zu küssen
Die Seite fromm; den Duft nur
saug’, den süßen;
Dich nahe glühend auf der
Liebe Schwingen.
Erschließt sich mehr nicht
dir, vor Augen bringen
Sonnst du der Liebe Licht,
weil weichen müssen
Die eig’nen Triebe so: bang’
sonst vermissen
Würd’ Kraft und Nerv’ die
Seele, um zu ringen.
Nicht irre ab, den Flug
vielmehr beeile;
Wer gab die Lust, der zögert
auch nicht lange,
Zu geben dir die Tugend, Kraft
zum Werke;
Er will dein Heil. Daß stets
sein Auge weile
Beim muth’gen Krieger in des
Kampfes Drange,
Du weißt’s: er steht ihm bei,
ist seine Stärke.
LXXVIII.
Mich dünkt, auf höchster Warte
sah erheben
(Wo ew’ger Rathschluß klar
sich hat entschleiert)
Ich jenes Todeszeichen sich,
das feiert
Den Sieg des Lebens dort, uns
mild gegeben.
Geehrt ich sah’s, von hellem
Glanz umgeben,
Und wollte freudig seinem Ruhm
mich einen:
Da hört’ ich droben eine
Stimme weinen,
Daß wir’s dem Spotte beinah
preisgegeben;
Ob’s Ehre sei für Mauern und
Gewänder,
Für jede Stirn: nur in des
Menschen Sinne
Verblichen sei das ewig helle
Zeichen.
D’rum im Gebet wir uns die
Hände reichen,
Daß Fluch nicht treffe uns von
hoher Zinne
Für freveln Raub am heiligsten
der Pfänder!
LXXIX.
Der ird’sche Sieg oft zieht
herab zum Staube
Die Tugend, die ihm Antrieb
erst verliehen,
Und ihr Triumph, zum Übermuth
gediehen,
Läßt die Besiegten schnödem
Zorn zum Raube;
Nicht Mitleid kann den Weg zum
Herzen finden,
Der Demuth ächter Schmuck es
nicht umblühen,
Das Glück, ihn dünkt’s, wird
nimmer sich entziehen,
Wollt’ er’s mit Andrer Blicke
sich verbinden.
Im Herrn als Gott und Menschen
doch sich fanden –
Da Welt und Hölle hat er
überwunden –
Die höchsten Tugenden stets
gleich vereinigt;
Entkleidet durch die Demuth
ward in Banden
Der Lieb’ mit Dorn und Nägeln
er gepeinigt
Zu will’gem Tod, daß Leben uns
gefunden.
LXXX.
Nackt seh’ den Herrn am Kreuz
ich ausgespannt,
Durchbohrt mit Nägeln tief an
Händ’ und Füßen;
Der Dornenkron’, der offnen
Seit’ entfließen
Blutströme, die des Volkes
Wuth entsandt;
Und auf den Schultern sein
liegt schwer gebannt
Die Schuld der Welt; doch aus
dem Herzen schießen
Die Liebesflammen, die
besiegen müssen
Den Tod, gleichwie das Volk,
das ihn verkannt.
Demuth, Geduld, Gehorsam ohne
Gleichen
Und alle Tugenden wie Stern’
umglänzen
Die Sonne, strahlend
himmlisches Erbarmen:
So daß das große Schauspiel
zeigt uns Armen
Nach solchem Tod, bewährt in
solchen Zeichen,
Die Glorie, die den Sieg wird
dort umkränzen.
LXXXI.
Der Liebe Wunder, daß ein Gott
gestorben
Für uns am Kreuz, so fern dem
engen Maße
Menschlichen Denkens liegt,
daß, wie er’s fasse,
Vergeblich hat den Scharfsinn
drum geworben.
Doch hat der Gnade Strahl ein
Herz erkoren,
Schlägt das Geheimnis ein,
dess’ Glaube stammet
Von Himmelsheimath nur: dann
hoch entflammet
Der Geist, fühlt fertig ihn in
sich geboren.
Wer ihn zur Richtschnur nimmt als feste Leuchte
(Nicht der, der mehr versteht
und mehr gelesen,
Und wär’s die Weisheit all’),
wird selig sein.
Geschrieben die Gesetz sich
nie noch zeigte:
Ein Herz von Jesu Liebe doch
erlesen,
Empfängt mit Feuer seinen
Abdruck rein.
LXXXII.
O Speise Du! von wunderbarem
Wesen
D’rin sich der Seele Urgrund
ihr erschließet,
Da wächst der Glaub’, indem
sie Dich genießet;
Daß Gott Du bist, ihr Ziel,
klar kann sie’s lesen!
Mit Deiner Kraft ernährt, sie fühlt
erlesen
Sich demuthsvoll zu Himmels
sicherm Erben,
Und möcht’ um Beute schon von
oben werben
Mit Liebes-Allgewalt die
Siegel lösen.
Daß man bemächt’gen kann mit
starken Händen
Sich Deiner Heimath, licht, Du
sprichst, und spenden
Willst Du uns truglos Pfand,
gibst selber Dich
Allein, damit wir ganz die
Deinen werden,
Und jedes Mittel, jede Kraft
auf Erden
Zum Kampfe wenden gegen
eig’nes Ich!
LXXXIII.
Als ew’ger Rathschluß
vorerwählen wollte –
Weil seine Weisheit unsern
Fall durchschaut –
In Urbilds Schöne eine
Gottesbraut,
Die Ihm ein reiner Tempel
bleiben sollte:
Nicht Zornes Strenge über ihr
entrollte
Er, der Gesetze gibt und
Himmel baut;
Ihm blieb im ersten Kleid sie
angetraut,
Kein Flecken je mit ihrer
Reinheit grollte.
Ihr galt die Lösung, die kein
Netz umfand,
Und wunderbar bedient sich
Gottes Hand
Des herrlichen Krystalls der
Art, des klaren,
Daß – Seinen Rathschluß mehr
zu offenbaren –
Er faßt ihn eigens, wie’s nur
Ihm bekannt,
Läßt leuchten ihn durch unsre
Welt-Gefahren.
LXXXIV.
Wollt hell ihr lodern
Himmelsflamme sehn,
Die keuschen Schnee entzündet,
nicht verzehrt,
Und hohe Sonne, die ihm Dauer
mehrt,
Daß keine Spur je wird von ihm
zergehen:
Die Jungfrau schaut, wie
heil’gen Geistes Wehen
Sie heut durchglüht, in ihrem
Schoß erweckt
Der Sonne Hoffnungsquell, die
sich erstreckt
Aus Raum und Zeit zu ewig
sel’gen Höhen.
Seht, wie des Wesens Klarheit
lieblich rührt
Ein Himmelsstrahl, wie ihm
bereitet schon
Er sie mit gold’nem
Lichtgewebe ziert.
Und wenn dann Jesus wieder uns
erscheint:
Das Göttliche, das Menschliche
vereint
Zeigt selige Geburt im
Menschensohn.
LXXXV.
O hehre Frau, dem Himmel also
werth,
Daß Deine Milch sollt’ Gottes
Sohn ernähren:
mußt, nicht der Gottes-mund
die Brust verklären
Dir so, daß reine Gluth sie ganz
verzehrt?
Daß los die Seele löst’ sich
dir, und kehrt
All Leben dein, und jede
Kraft, die Sinne,
Vereint zur Ader, die in
heil’ger Minne
Tränkt Gott den Herrn, der
liebend Dein begehrt?
Doch ziemt sich’s nicht mit
blödem Sinn zu träumen,
Mit schwachem Wort, von
überird’schem Walten,
Das unserm Blick zu hoch, zu
fern gehalten.
Gott starb auf Erden: nun in
Himmelsräumen
Lebt fort die menschliche
Natur: erklären
Wir können nicht, was jenseits
uns’rer Sphären.
LXXXVI.
Jungfrau, Du Reine, die nun
dort umfließet
Der wahren Sonne ewig lichter
Tag:
Was hier verhüllt Dir in der
Seele lag,
Nun off’nem Blick in Fülle
sich’s ergießet!
Du sahst den Gott als
Menschen; den begrüßet
Der Engel Schar, die wacht am
Bettlein arm,
Die hält’s mit Himmels lichten
Strahlen warm,
Als bebend sie den heil’gen
Kreis umschließet.
Dem Gott in enger Hülle Du
Dich beugest,
Nährst Ihn als Sohn, willst
Ihn als Bräut’gam lieben,
Dem, einen Vater gleich, Du
Ehrfurcht zeigest.
Du hohe Frau! woll’ Sein
Erbarmen kehren
Zu meinen Tagen auch, den
allzeit trüben,
Und segnend mir als Mutter
Dich bewähren.
LXXXVII.
Mit welcher Himmelsmilde wohl
enthüllt
Hat tief Geheimniss oft der
Sohn, der große,
O Mutter Dir! wie’s Dir
geweckt im Schooße
Das Wort, war’s auch Gesetz
Dir, Hort und Schild.
Dein Heil’ger erst aus Gottes
Wesen quillt;
Dann hier im Fleisch, von
uns’rer Haft umschlossen,
Wird dort das Band in neuer
Kraft geschlossen,
Wo sein Gesetz für Ewigkeiten
gilt.
Und wie geboren ich, Ihn
sterben sehe,
Zum Himmel steigen: stets auch
nah gewahre
Ich Dich als Mutter Ihm, als
magd zur Seite.
Dein Bräut’gam nun, der Vater
in der Höhe
Mit Deinem Sohn, auf ewigem
Altare
Dir lohnen jetzt die Treu’ in
heil’gem Streite.
LXXXVIII.
Als ew’ger Mond Du zwischen
ew’ge Sonne
Und unser Aug’ gestellt, ein
irdisch Kleid,
Das, nicht befleckend sie, den
Spiegel beut,
In den zu schaun uns Leben
gibt und Wonne:
Getrübt hast Du sie nicht,
vielmehr den Schleier
Der ersten Schuld mit sanftem
Flehn befreit
Von dichter Nacht, daß Lichtes
Heiterkeit
Erneut ihn trifft, und leicht
er wird und freier.
Und mit dem Glanz, den selber
Du empfangen,
Die Schauer nimmst den Nächten
du, den bangen,
Weißt scharfer Hitze Macht für
uns zu brechen.
Wohl rinnt auf flücht’ger Welt
in hellen Bächen
Die reine Milch, die einen
Gott ernähret,
Auf daß gerechten Zornes Fluth
sie wehret.
LXXXIX.
Die Sonne Edens hast du auf
der Erde
Geschmückt, o Meeresstern, Du
reiner, treuer,
Mit sanftem Glanz, daß durch
den Jungfraun-Schleier
Ihr blendend Licht uns lind’
beschattet werde;
Und wessen Sinn dies Wunder je
belehrte,
Dem fern die Welt liegt, ihr
vergiftet Treiben;
Sein Sieg wird sicher vor dem
Feinde bleiben,
Weil sich in Dir Natur auf’s
Neu bewehrte.
In reinem Schoß Gott-Sohn
ernährt ich sehe
Von keuscher Mutter, und
zugleich erglänzen
Sein sterblich Kleid, im
Himmel nun verkläret.
So hehr Geheimnis zündet in
der Höhe
Der Sel’gen Preis: mag Liebe
dort es kränzen;
Der Treue hier als Hoffnung
ist’s gewähret.
XC.
Die Lebensluft aus Christi Brust
durchhauchte
Den greisen Simeon so mit
wahrem Leben,
Daß selbst sich, schien’s, er
hatte aufgegeben:
In Gott versenkt, nichts
Ird’sches er mehr brauchte,
Sich in Gebet und Lieb’ die
Seele tauchte,
Als schwacher Arm sollt’
Himmelslast erheben,
Er fleht, weil sah das Wort im
Fleisch er leben,
Daß nun vereint den Vätern er
verhauchte
Froh seinen Geist, um gleich
zu künden ihnen:
Den hab’ als Kind in Windeln
er getragen,
Den er als Gott von Herzen
hier verehret;
Mit ihm der Welt sei neues Licht
erschienen,
Daß nun, vom alten Fluch sie
loszusagen,
Die Lieb’, die Gnade, bei ihr
eingekehret.
XCI.
Die Tempel-Opfer milderten die
Schwere
Wohl unsrer Schuld: doch
Niemand konnte reichen
Das Gottesbrod hinauf, und nur
als Zeichen
Galt das befleckte Opfer
Gottes Ehre.
Den neuen Tempel schmücket
schön’re Lehre:
Auf Gottes Wort Symbol und
Schatten weichen,
Er zeigt in reinem Opfer ohne
Gleichen
Das wahre Licht, daß es die
Welt ernähre.
In Simeon’s Brust so tief ist’s
eingedrungen,
Daß er sein Aug’ für immer
mocht’ verschließen,
Um’s ew’ger Sonne ewig zu
erschließen.
Und wär’ der Jungfrau nicht
sein Wort erklungen,
Die damals schon des Leidens
Schwerter trafen
In jenem süßen Hauch er wär’
entschlafen.
XCII.
Es löscht der Strahl; gemach
Du siehst erblassen,
O Mutter nun, dann völlig
eingesunken
Des Sohnes göttlich Aug’, da
Liebesfunken
Durchsprüh’n die Welt, ihr
Erbe zu erfassen:
Doch Deine Lebensgeister zieh’n
verlassen
An jenen stillen Ort, von
Liebe trunken,
Zu sammeln dort, was Dir
hinabgesunken:
Ob kurz so süßer Tausch Dir
auch gelassen;
Schloß Tod die Pforte: nun die
Straße weit
Zum Himmel öffnet sich, so
fest umbaut,
Durch angewachs’ne Schuld seit
langer Zeit.
In Dir des Glaubens Schild
zeigt Festigkeit
Selbst vor dem Todesstoß, und
Dir vertraut,
Wer mit gesundem Muth beginnt
den Streit.
XCIII.
Da hielt die heil’ge Mutter
todt im Schooße
Den vielgeliebten Sohn: keimt
in Gedanken
Die Ahnung ihres Sieges ohne
Schranken,
Der Glorie hehr, weit über
alle Loose!
Wuchs bei der Wunden Anblick
auch der große,
Der herbe Jammer noch, wenn
farblos sanken
Die theuern Züge ein: der
Hoffnung Ranken
Zum Himmel stiegen doch an
dunkler Rose!
Geheimnis, das der Vater noch
verborgen,
er öffnet leise dem betrübten
Herzen:
„Dein Sohn siegreich ersteht
am nahen Morgen!“
Doch da als wahre Mutter sie
geboren:
Kein Zweifel ist, daß bis zum
Grab die Schmerzen
Aus treuer Brust sich
nimmermehr verloren.
XCIV.
Maria hat hier Himmelsgluth
gezündet,
Um dort für uns sie weiter zu
entzünden,
Im Antheil wollt’ die Güte
hier sich künden,
Die ihrem Geist in Fülle nun
sich kündet.
Was hier das Ohr gehört, wo
Schall verschwindet,
Dort in der Seele nimmer wird’s
verschwinden;
Sollt’ Mutterwürde einst sich
hier verbünden
Dem Menschensohn: dort ist ihr
Gott verbündet.
Niemals doch wechselt’ Ziel
ihr und Gedanken,
Weil stets geordnet oder still
besieget
Vernunft ihr die bescheid’nen
hellen Sinne;
Vom ersten Tag erschloss sie
ohne Wanken
Das Aug’ der Wahrheit, die da
nimmer trüget,
Entflammend rings die Geister
höh’rer Minne.
XCV.
Wollt’, Vater Noa, einst durch
Dich erneuern
Der Herr die alte Welt, als da
im tiefen,
Im sünd’gen Schlamm die
Menschen dumpf entschliefen,
Abgöttisch nur der Wollust
Wahn zu feiern;
Und möcht’ sich göttlich Aug’
dem Wust verschleiern,
Der Ärger noch vielleicht in
unsern Zeiten:
Nun sollt’ gerechter Zorn uns
doch bedeuten,
Daß Menschenblut statt Wassers
wird ihm steuern.
Fleh’ denn für mich, daß in
dem Aufruhr hüte
Demuth und Reinheit still ich
im Gemüthe,
Für Andres nicht besorgt als
Gottes Ehre:
Daß in das Heiligtum der Arche
kehre,
In seine Wunde lieb ich mich
verschließe,
Im Glauben da mir Licht und
Freiheit sprieße!
XCVI.
Nicht daß Dich in der Arche
Gott erhalten,
Um bessere Geschlechter zu erzeugen,
Noch daß Sein Rathschluß
sollte Dir sich zeigen,
Ist, Noa, Grund, Dein Lob hier
zu entfalten;
Doch daß in solcher Zahl nur
Dich gehalten
Für würdig Er und gut, und Dir’s
bezeugen
Durch Wort und Werke wollt’, -
das ja muß beugen
Wohl unser Herz zur Lieb’,
soll Neid nicht walten.
Als in des Zornes Fluth der
Welt der grollte,
Die wie vernichtet lag vor
seinen Ruthen,
Nur Lieb’ und Frieden ließ er
Dich umwallen;
Da wild die Woge um den
Erdball rollte,
Dich hat getränkt Er mit der
Gnade Fluthen:
So sehr besaßest Du sein
Wohlgefallen.
XCVII.
O, daß ich könnt’ in dieses
Sturmes Wüthen,
Im Aufruhr, der die Welt
durchwühlt, mich retten
In Vater Noa’s Arche, still
mich betten!
Vor solcher Fluth kein andres
Schiff mag hüten!
Könnt’ ich mit moses Schaaren,
die durchschritten
Getrost das rothe Meer, von
Sklavenketten
Befreit, froh jenseits grüßen
lichte Stätten,
Lobsingend Gott mit Danken und
mit Bitten!
Möcht’ Petrus gleich die
Retterhand erfassen,
Will zagend herz den Glauben
sinken lassen,
Da thürmt die Woge sich vor
meinen Blicken!
Entspricht nun dennoch mein’s
nicht den Geschicken:
Ist’s nicht, weil Himmelsgunst
jetzt wär’ verschwunden;
Dem dorther war die Hülfe nie
gebunden.
XCVIII.
Der sel’ge Geist, der
himmelsgluthen fühlte
So wunderbar, daß, als die
glüh’nden Kohlen
Vom Scheitel leckten ihn bis
zu den Sohlen,
Ihn dünkt, daß Kühlung
lieblich ihn umspielte:
Nicht Eignes je er mit dem
Schatz erzielte,
Den hegt’ er fremder Noth: den
Geist erhoben,
Lebt’ er im Körper noch, schon
reich dort oben,
Ob finstre Qual sein Dasein
hier durchwühlte.
Zum rohen Führer spricht er
froh: „kein Dunkel
Kennt meine Nacht, weil sie
durchglüht die Sonne,
Die gürtet, waffnet mich durch
mächt’ge Strahlen“.
Mit Wort und That bezeugt er
so in Qualen,
Daß er verzückt besaß schon
Himmelswonne.
Das ew’ge Gold und seines
Lichts Gefunkel!
* Auf den heiligen Laurentius,
Schatzmeister
der ersten Christengemeinde,
der
den Märtyrertod auf dem Rost erlitt.
XCIX. – Auf den h. Erzmärtyrer
Stephanus
Nicht blos sein Auge und des
Herzens Sprache
Hatt’ erster Märtyrer empor
gewendet,
Sein Beten war Gesetz zu Gott
entsendet,
An diesem Tod zu nehmen heil’ge
Rache:
Nein, daß der Himmel öffne
sich, erwache
Mit jedem Steine, der zum
Pfeil verwendet,
Die Glorie heller, die den
Kampf beendet,
Ihm dünkt’s, daß ihm ein ew’ger
Frühling lache.
Für seine Feinde bat er
solcher Weise,
Daß nicht inbrünst’ger kann
die Mutter flehen
Für ihren Sohn, als er von
Lieb’ beseelet;
nie war ein Demant hell von
solchem Preise
Dem Geiz, als jener Stein ihm,
der ersehen
Zum Ziele sich sein Herz, das
Gott vermählet.
C.
Als Thomas’ Glaubenshärte mild
geboten
Der güt’ge Herr die Wunden
Sein, da brannte
So mächt’ge Gluth hervor, daß
sie entsandte
Demuth und Glaub’ in kalten
Herzensboden.
Der alt’ und neue Bund ihm war
erschlossen
Sogleich, und sich als Erben
er erkannte
Vom Himmelreich, da „seinen
Gott“ er nannte
Nun den, der solche Gaben ihm
ergossen.
Doch dann der Herr mit größerm
Ruhme weihte
Den Glauben, der nicht sieht,
nicht fragt nach Zeichen,
Der menschliche Vernunft mag
gern entbehren:
Der Himmel öffnet sich in heil’ger
Seite
Dem Thomas bald; ihn sicher zu
erreichen,
Wird Glauben uns in seiner
Spur belehren.